Jede Mutter weiß, dass es verboten ist, ein Kind über den Zaun zu heben. Tut man es doch, so wird es später ein Dieb.
Aus dem „Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens“
Trude Friedrich schnitzt. Auf allen ihren Reliefbildern ist ein Zaun, eine Mauer oder ein Geländer zu sehen. Jede dieser Einfriedungen ist anders, jede folgt bestimmten, variantenreichen Regeln und hat ihren eigenen Rhythmus, ihren eigenen Charakter. All dies im Hinterkopf, stehen wir vor den Reliefbildern von Trude Friedrich und fragen uns: Wie sollen wir diese kleinen Tafeln anschauen? Was macht sie so anziehend? Warum begnügt sich die Künstlerin bei diesem Thema nicht mit einer Zeichnung oder einem Aquarell? Warum arbeitet sie stattdessen mit einem widerständigen Holz?
Offenbar geht es auf der einen Seite um die Auseinandersetzung mit dem visuellen Reiz des Seriellen. Wir spüren schon bei flüchtiger Betrachtung der Arbeiten etwas von jener Faszination, die in fast allen ausdauernd und gleichmäßig vorgetragenen Wiederholungen begründet liegt.
Was aber geht unter diesen Parametern dann von diesen Werken aus? Was ist ihre Botschaft? Mir scheint, als belegten sie, dass das eigentliche Vermögen von Trude Friedrich, ihre besondere künstlerische Fähigkeit darin liegt, mit geringem Aufwand Klarheit und Ruhe in eine Sache zu bringen. Nicht mit Begriffen, sondern mit Reliefbildern erreicht die Künstlerin eine Prägnanz, wie sie stets nur aus großer Konzentration und Kontemplation entspringen kann. In den besten Beispielen ihrer Arbeiten wird der formalen Gestaltung eine Bedeutung abgerungen, die weit über das Erwartete hinausgeht. Aus alltäglichen Beobachtungen destilliert, entstehen sinnliche, anschauliche Denkgegenstände von eindringlicher Art.