Michael Kalmbach hat sich in einer faszinierenden, aber leider viel zu wenig bekannten Werkgruppe mit dem ambivalente Verhältnis von Anwesendem und Abwesendem auseinander gesetzt und sich intensiv mit der Fassbarkeit der Leere beziehungsweise dem Aussehen der Antiform beschäftigt. (…) Tatsächlich bedarf es einiger Anstrengung und Übung, will man im Alltag die Antiformen der Dinge in Augenschein nehmen. Läßt die Aufmerksamkeit für das Erscheinungsbild der Hohl- und Zwischenräume nur für einen Augenblick nach, so setzen sich die Objekte, die für die Negativformen verantwortlich sind, sofort wieder durch.
Bei den „Glühbirnen“ ist sich der Betrachter meist nach einer kurzen Weile schon darüber im Klaren, dass die materiell vorhandenen Körper aus dem Raum zwischen realen Gegenständen erwachsen sind. Kalmbach hat den willkürlich festgelegten Abstand zwischen zwei Glühbirnen zunächst in einer flachen Schablone festgehalten. Durch Drehen dieser Schablone um die eigene Mittelachse hat der Künstler schließlich die Form der drei an umgestülpte Kelchformen erinnernden Gebilde bestimmt. Das konturgebende Ausgangsobjekt aber ist verschwunden. Auch die „Schwangere“ (1990) wird nicht durch ein materielles Ebenbild, sondern erst durch ihre Abwesenheit zwischen den zwei vasenartigen Körpern sichtbar. (…)
Kalmbachs Vorliebe für jenen Bereich, der jenseits der expliziten Form angesiedelt ist, sein Interesse für die Grenzübergänge einer Form mit dem Raum erstreckt sich auf alle Bereiche des sichtbaren Welt. Mit seinem Blick auf die Dinge kann auch etwas so Banales und Alltägliches wie der Abstand zwischen den langen Beinen einer Barbie-Puppe zu einer wahre Fundgrube werden. Die kreisrunde Scheibe mit dem hinweisenden Titel (Barbie, 1992) ist durch die Rotation eben dieses Beinabstandes um die Bodenlinie zwischen den Füßen der Figur entstanden.
Kalmbachs Arbeiten zeigen, daß es noch etwas im Alltäglichen zu entdecken gibt, dass es sich lohnt auf der Lauer zu liegen und die Verbindung zu den dunklen, unerforschten Stellen des Lebens aufrechtzuerhalten. Er gehört zu jenen, die weiterhin auf die „anschauende Urteilskraft“ vertrauen, auf die jeder Gestaltung zugrunde liegenden Fähigkeit zur Beurteilung der Qualität der bereits vorhandenen Formen. Sehen heißt dann, wie es Paul Virilio einmal formuliert hat „in Erwartung dessen, was im Hintergrund auftauchen wird und namenlos ist, auf der Lauer zu liegen, in Erwartung dessen, was keinen Reiz darstellt; (…) deshalb dieses anhaltende Interesse für Randerscheinungen, für irgendwelche Spielräume, letztlich für Leere und Abwesenheit.
aus Die Fassbarkeit der Leere von Andreas Bee